Luftfahrtforschung: Öffentlich gefördertes Projekt TISTRAQ bewilligt

In Zusammenarbeit mit den Partnern HEGGEMANN und FAU untersucht das DYNAmore MCC im Rahmen des vorerst auf vier Jahre ausgelegten Forschungsprojekts TISTRAQ die Herstellung von Blechformteilen aus Titanlegierungen für die Luftfahrt.

Hauptziel des ab 1.7.2020 vom BMWi im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms der Bundesregierung geförderten Verbundprojektes TISTRAQ (TItanium Solution Treated & RApid Quenching) ist die Entwicklung eines Umformprozesses für die energie- und materialeffiziente Herstellung von Blechformteilen aus α+β-Titanlegierungen mit gesteigerten mechanischen Kennwerten durch eine prozessintegrierte Wärmebehandlung. Dabei werden erstmalig α+β-Titanlegierungen resistiv schnellerwärmt und mit gekühlten Werkzeugen abschreckumgeformt. Die prozessintegrierte Wärmebehandlung (Umformung und Abschrecken in einem Schritt) erhöht das Leichtbaupotential durch die Steigerung mechanischer Eigenschaften und senkt die Herstellkosten für blechbasierte Titanbauteile durch den Entfall einer nachgelagerten Wärmebehandlung. Durch die angestrebte sehr kurze Prozesszeit (STQ: short time quenching) soll zudem die Bildung einer sauerstoffangereicherten spröden Randschicht weitestgehend vermieden werden. Die Umformung von α+β-Titanlegierungen mit prozessintegrierter Wärmebehandlung führt zu einer im Vergleich zum aktuellen Stand der Technik ökologisch und ökonomisch effizienteren Herstellung von Titanstrukturen mit zugleich hohem Leichtbaupotential durch die verbesserten mechanischen Eigenschaften. Der STQ-Prozess bietet somit ein großes Potential für die Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Effizienz in der Luftfahrt.

Die Prozessroute basiert auf dem in der automobilen Serienfertigung erfolgreich für die Warmumformung von Stählen eingesetzten Presshärten. Gemeinsam mit den Projektpartnern soll der Prozess für Titanlegierungen entwickelt und der Nachweis erbracht werden, dass der Prozess simulationstechnisch beherrschbar ist und zu einer dauerhaften Erhöhung der mechanischen Kennwerte bei den verwendeten α+β-Titanlegierungen führt. DYNAmore übernimmt die simulative, lokale Abbildung der Gefügeumwandlung im STQ-Prozess, sowie die Prognose der zugehörigen lokalen mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs. Mit Erreichen dieses Zieles können die Potentiale des Verfahrens durch Optimierung des Prozesses innerhalb einer Simulationsumgebung bestimmt werden.

Der Arbeitsplan sieht vielfältige experimentelle Untersuchungen zum Abkühlverhalten von TiAl6V4 bei diversen Abkühlgeschwindigkeiten, sowie mechanische Untersuchungen der erzeugten Gefüge vor. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse entwickelt DYNAmore ein thermomechanisch gekoppeltes Simulationsmodel, das in der Lage ist, den gesamten Umformprozess eines Bauteils zu beschreiben. Die lokalen Eigenschaften des Werkstoffs werden dabei mit einem Modell zur Bestimmung der Phasenumwandlungskinetik, abhängig u. A. von Deformationshistorie und Abkühlgeschwindigkeit beschrieben. Neben der prinzipiellen Beschreibung des Modells, dessen Implementierung und Validierung, werden vom DYNAmore MCC ausführliche Kalibrierungsumfänge geleistet, um den hohen Anforderungen an die Prognosefähigkeit Rechnung zu tragen.

Dazu Prof. Dr.-Ing. André Haufe, Leiter des DYNAmore MCC: „Mit dem Zuspruch dieses Forschungsprojekts können wir unsere simulationstechnische Kompetenz im industriell-werkstoffwissenschaftlichen Bereich weiter ausbauen und schaffen zusammen mit den Projektpartnern HEGGEMANN und FAU die Basis für vielfältige, neue Applikationsmöglichkeiten von Titanblechbauteilen.“

 

Die Partner im Konsortium sind:

HEGGEMANN AG: 1962 als „Luftfahrttechnischer Betrieb“ gegründet hat sich HEGGEMANN als international anerkannter Spezialist für die Entwicklung und Fertigung komplexer metallische Leichtbaustrukturen in der Luft- und Raumfahrtindustrie etabliert. Gemäß dem Unternehmensmotto „360° - from Engineering to Production“ realisieren 220 Mitarbeiter für Kunden die komplette Wertschöpfungskette von der Entwicklung über die Serienreifmachung bis zur Produktion einbaufertiger Strukturen und Systeme. Insbesondere das Production Quality Engineering zur Auslegung der stückzahloptimierten Herstellung sowie stetige Innovationen zeichnen das inhabergeführte Unternehmen mit Sitz am Airport Paderborn-Lippstadt aus. Als luftfahrtzugelassener Herstellbetrieb und zertifizierter Schweißfachbetrieb bringt HEGGEMANN insbesondere die über 50-jährige Erfahrung bei der Entwicklung von Fertigungsprozessen nach Luftfahrtqualitätsstandards mit in das Projekt ein. HEGGEMANN verfügt über umfangreiche Kompetenzen im Umgang mit hochfesten Titanlegierungen bzgl. des Schweißens, der zerspanenden Bearbeitung, der Blechbearbeitung sowie der Montage von ganzen Baugruppen.

FAU: Der Lehrstuhl für Allgemeine Werkstoffeigenschaften (WW1) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit der Erforschung der Mikrostruktur-Eigenschaftskorrelation von Werkstoffen und den zugehörigen Schädigungsmechanismen. Ein Schwerpunkt sind dabei Leichtmetallwerkstoffe, insbesondere auch Titan-Legierungen. Der Lehrstuhl verfügt über eine große Expertise auf dem Gebiet der mikrostrukturellen und mechanischen Charakterisierung von Werkstoffen. Der Lehrstuhl WW1 ist experimentell sehr gut ausgestattet: Neben makroskopischen mechanischen Prüfverfahren wie Zug,-Druck-, und Ermüdungsprüfung und Verfahren zur Ermittlung der mechanischen (Langzeit-) Eigenschaften bei hohen Temperaturen verfügt der Lehrstuhl WW1 über eine umfangreiche Ausstattung im Bereich der mikrostrukturellen Charakterisierung. Am Lehrstuhl sind ca. 30 Doktoranden in verschiedenen über EU, DFG, BFS, BMBF geförderten Projekten beschäftigt. Der Lehrstuhl WW1 ist Mitglied im Cluster of Excellence EXC315, Engineering of Advanced Materials, arbeitet in mehreren laufenden Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs mit und hat erfolgreich zwei ERC-Grants eingeworben.

DYNAmore Material Competence Center (MCC):

Als Software- und Entwicklungsdienstleister bietet DYNAmore ein Produktportfolio an, das die Finite-Elemente Software LS-DYNA, den Pre- und Postprozessor LS-PrePost, die Optimierungssoftware LS-OPT sowie zahlreiche FE-Modelle für die Crashsimulation (Dummy-, Barrieren-, Fußgänger-, und Menschmodelle) umfasst. Die Simulationssuite LS-DYNA wird von Entwicklern der DYNAmore GmbH mit- bzw. weiterentwickelt. DYNAmore hat langjährige Projekt- und Entwicklungserfahrung in Modellentwicklung und Simulation (Prozesssimulation, Insassenschutz, Fahrzeugcrash) in allen Bereichen der Mobilität (Luft- und Raumfahrt, Schienen- und Kraftfahrzeuge). Einen besonderen Schwerpunkt im jüngst mit neuen, größeren Räumlichkeiten ausgestatteten DYNAmore Material Competence Center (MCC) bildet die Entwicklung von Werkstoffmodellen (Metalle, Kunststoffe und Composite- Materialien) und die Ableitung von Methoden zu deren Bedatung und Vailiderung. Insbesondere dieses Know-How ist im nunmehr geförderten TISTRAQ-Projekt relevant, um für den bezogen auf α+β-Ti-Legierung neuartigen Abschreckumformprozess die Bedatung von Werkstoffmodellen in enger Kooperation mit den Projektpartner entlang er gesamten Prozesskette durchführen zu können.